„Wir sind auch eine Gruppe! Herr Giesel, würden Sie nicht auch von uns ein Foto machen?", fragte der Mann mit dem weißen Schal im Bildzentrum und bat Joachim Giesel darum ihn und seine Freunde abzulichten. Das Bild inszenierten die fünf Männer selbst. Dabei befinden sie sich in einem luxuriösen Apartment in Langenhagen und blicken selbstbewusst zur Kamera. Eine Champagnerschale, eine lebensgroße Hundefigur, verchromte Lederstühle und die Zigarette mit Aschenbecher gehören ebenso wie weit aufgeknöpfte Hemden und Hosen zu ihren selbstgewählten Attributen. Jede abgebildete Person erhielt im Anschluss eine der Fotografien.
Joachim Giesel arbeitete seit Beginn der 1970er Jahren an seiner künstlerischen Serie „Der Mensch in der Gruppe“. Angelehnt an den deutschen Fotografen August Sander, der die Serie "Menschen des 20. Jahrhunderts“ fotografierte, schuf Giesel Gruppenporträts, mit denen er Sanders Idee in die Gegenwart übertrug. In Giesels Serie befinden sich vor allem Berufsgruppen, Freizeitgruppen und Künstlergruppen.
Diese Fotografie, die den Titel „Homosexuelle“ trägt, und die Personen, die hier abgebildet sind, fallen aus diesen Gruppierungen heraus. Die sexuelle Orientierung eines Menschen ist etwas, das man nicht wie einen Beruf oder ein Hobby frei wählen, ausüben und ablegen kann. Homosexualität ist bis heute mit Diskriminierung und Stigmatisierung verbunden.
Obwohl die Fotografie einen voyeuristischen Eindruck macht, so ist sie auch Zeugnis einer Auseinandersetzung mit einer marginalisierten Gruppe. Weder 1976 noch heute haben homosexuellen Menschen Zugang zu denselben Räumen und Bühnen wie Mitglieder der heterosexuellen Dominanzgesellschaft.
Umso selbstbewusster erscheinen die fünf Männer auf ihrer selbst geschaffenen Bühne. Sie inszenieren sich, wie sie sich selbst sehen und gesehen werden wollen: als Teil der Gesellschaft. Und somit sind sie ein wichtiger Bestandteil der Serie „Der Mensch in der Gruppe“. RLG