Helmut Silbermann
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„Mit dem sie am engsten verkehren, dem Sinn, von dem wenden sie sich ab, und worauf sie täglich stoßen, das erscheint ihnen fremd …“
Heraklit, um 500 v. Chr.
„Ich bin Schüler der Wirklichkeit meiner Zeit! Ich habe gelernt, meine Sinne zu gebrauchen! Meine Erlebnisfähigkeit und mein Denken begründen meine Bilder ...“
Helmut Silbermann, 1978
„Ich weiß, dass ich nichts weiß“ (Sokrates) war ein Lieblingssatz von Helmut.
Helmut war ein ruhiger, zurückhaltender und liebenswürdiger Mensch mit einer ganz besonderen Beobachtungsgabe und durch und durch Künstlerseele.
Er sah Dinge, an denen die meisten Menschen einfach vorbeigehen würden und schenkte diesen seine Aufmerksamkeit.
Bei Spaziergängen wurden Blätter gesammelt und Strukturen auf dem Bürgersteig fotografiert. Wolken waren besonders wichtig, Licht und Schatten ebenso.
In Bussen, Bahnen und Kneipen wurde skizziert und notiert.
Helmut war ein Sammler: von Erinnerungen, Eindrücken und Gefühlen, von Farben und Formen.
Seine Wohnung war eine Bibliothek zu allen Themen der Kunst und Philosophie. Seine Bilder schmückten die Wände, Skulpturen füllten freie Ecken auf den Regalen, und Feuilleton-Ausschnitte aus Zeitungen stapelten sich auf dem Fußboden.
Seine Lieblingsblume war die Lilie und sein Lieblingsbaum der Ginkgo Biloba.
Wir vermissen unseren lieben Vater und behalten ihn für immer in unseren Herzen.
Johannes und Sophia Silbermann
Im Schatten des Windes
Treibe ich dahin
Und lebe in schweifenden Lüften
Ich bin nicht dies, ich bin nicht das
Und jenes. Bin. Bin im Nichts der
Luft ein König und es ziehen
Die Wolken durch die Seele
Zu den Meeren hin und
Sie raunen
Ich bin nicht, ich bin,
Bin nicht, bin, bin nicht…
…Ich bin…
Gedicht von Helmut Silbermann
1948 in Dresden geboren
Besuch der polytechnischen Oberschule
1960 Umzug nach Hohenbostel am Deister bei Hannover
1963-1966 Handwerkslehre
1966-1969 Studium an der Werkkunstschule Hannover (Diplom-Abschluss), Freie Malerei und freie Grafik bei Prof. Ribitzki und Herbert Jaeckel, Kunstgeschichte bei Prof. Georg Hoeltje, Gasthörer bei Prof. Hans Mayer an der TU Hannover
1969 Umzug nach Düsseldorf
1969-1975 Studium Freie Malerei und Grafik an der Kunstakademie Düsseldorf, Klasse Prof. Joseph Beuys, Philosophie bei Prof. Walter Warnach, Abschluss als Meisterschüler
1970 Hochzeit mit Karin Wiese aus Hamburg
1971 erste Einzelausstellung in der Galerie ‘Permanente’ im Paula Becker-Modersohn Haus Böttcherstrasse Bremen
1975-1978 Lehrauftrag für Kunsterziehung am Annette-Droste-Hülshoff-Gymnasium
1975 Geburt der Tochter Sophia
Seit 1975 Mitglied im BBK
1976-1979 Gründungsmitglied der Produzentengalerie in der Schützenstrasse (Düsseldorf) mit Eckard Dörr und Werner Reuber
1978 Auf Einladung des Polnischen Künstlerverbandes in Olsztyn zum 3-wöchigen Plein Air für Malerei
1979 mit Hans G. Berge und Peter Krahé im Kunstverein Kassel mit Malerei und Zeichnung
Umzug nach Edendorf bei Bienenbüttel in Niedersachsen
Geburt des Sohnes Johannes in Lüneburg
1979-1980 Betreuung Jugendlicher in einem Jugendheim
Ab 1980 psychische Erkrankung und Arbeitsbeeinträchtigung
Trennung von Karin
Umzug nach Hohenbostel zu den Eltern
1981 Umzug nach Langreder bei Barsinghausen
1991 Umzug nach Hannover–Badenstedt
2004-2013 jährliche Beiträge im Brückenschlag, Zeitschrift für Sozialpsychatrie, Literatur, Kunst
2018 Umzug in ein Pflegeheim
2023 in Hannover gestorben
Einzelausstellungen
1985 Museum der Keksfabrik Bahlsen, Hannover
1979 Kunstverein Kassel (Silbermann, Berge, Krahé), Silbermann mit Einzelsaal
1978 Produzentengalerie Düsseldorf, Schützenstraße
1971 Böttcherstraße Bremen, „Galerie Permanente“
Gruppenausstellungen
2000 L’Exposition 1/2000
1999 Dauerausstellung in der Nikolaikirche Goerlitz, aus Anlass der Internationalen Jakob-Böhme-Ehrung
1982 bis 1993 Galerie Kühl, Hannover-Kirchrode, Tiergartenstraße
1982 Städt. Galerie Kubus, Hannover
1976 Produzentengalerie Villa Engelhardt, Düsseldorf
1968/69 Kunstverein Hannover, Herbstausstellung Niedersächsischer Künstler
Auszeichnungen
1975 Meisterschüler bei Prof. Joseph Beuys
1978 Stipendium Svobodno/Polen
Anmerkungen zu Helmut Silbermann
„Ich bin Schüler der Wirklichkeit meiner Zeit! Ich habe gelernt, meine Sinne zu gebrauchen! Meine Erlebnisfähigkeit und mein Denken begründen meine Bilder...“, schreibt Helmut Silbermann 1978 anlässlich seiner Ausstellung in der Produzentengalerie in Düsseldorf.
Helmut Silbermann ist 1948 in Dresden geboren und verlebt dort behütet seine Kindheitsjahre. Den Dresdner Dialekt hat er lebenslang beibehalten und kultiviert. Seine tiefe Verbundenheit mit Dresden kommt auch in einem Brief vom 12.4.1978 an Hans Berge zum Ausdruck nach einem Besuch in Dresden in der Sammlung Neue Meister. Er schildert darin die Begegnung mit einem Bild von Wilhelm Lachnit: „Der Tod von Dresden“...“das mich regelrecht erschütterte.“
1960 folgt Helmut Silbermann den Eltern von Dresden nach Niedersachsen. Der Vater, selber ein begabter Maler, fördert und ermuntert den Sohn nach einer Malerlehre zum Kunststudium.
Als Helmut Silbermann 1966 an der Werkkunstschule in Hannover sein Studium begann, dominierte in der Malerei der Tachismus, das abstrakte Informell. Das änderte sich mit den neuen Studierenden, zu denen auch János Nádasdy und Helmut Silbermann zählten.
Den Studierenden und Professoren fiel Helmut Silbermann sofort durch sein überragendes zeichnerisches Talent auf. Bereits seine ersten Aktzeichnungen, Portraits und Gegenstands-Erkundungen hatten eine traumwandlerische Sicherheit. Nur selten bedurften sie einer leichten Korrektur. In den ersten Jahren seines Studiums bildeten seine Zeichnungen und seine Radierungen einen bildnerischen Schwerpunkt.
Er zeichnet ständig, offenbar völlig entspannt, auf Spaziergängen oder Gruppentreffen. Schon bald wurde sichtbar, dass er die Zeichnungen von scheinbar banalen Dingen in komplexere Zusammenhänge zu Bildthemen verdichten würde. Ein Beispiel hierzu ist sein Kunstobjekt „Altar zur Wahrnehmung von Stroh und Feldern“ oder „Die Ernte des Glaubens“ 1968/69, das in der Herbstausstellung des Kunstvereins Hannover ausgestellt war.
Mit seinem Studienkollegen und Studienfreund János Nádasdy, ebenfalls ein hervorragender Zeichner, stand Helmut Silbermann im ständigen künstlerischen Austausch.
1969 machte Helmut Silbermann sein Diplom an der Werkkunstschule, die im selben Jahr Fachhochschule wurde. 1969 beginnt er sein Studium an der Düsseldorfer Akademie bei Prof. Joseph Beuys.
1971, als 23-jähriger, hatte Helmut Silbermann bereits seine erste Einzelausstellung in der Böttcherstraße in Bremen. In seiner Rezension in den Bremer Nachrichten stellt Kulturkritiker Herbert Albrecht den jungen Künstler in die, Zitat: „Nachfolge großer Zeichner von Menzel bis Zille, Dix und Grosz“. Und: „Hier spürt man einen elementaren Wirklichkeitsdrang, die unerhörte zeichnerische Begabung eines jungen Menschen, der leidenschaftlich seiner Sache hingegeben, nicht nach rechts und links um sich blickt, der fleißig ist, ohne sich auf Fleiß berufen zu müssen. Der jede Attitüde so sehr scheut, dass er jeden schönen Abschluss seiner Zeichnungen vermeidet, es bei dem absolut Wichtigen bewenden lässt …“.
In Düsseldorf gründet Helmut Silbermann mit Freunden die „Produzenten-Galerie“ in der Schützenstraße. Die kleine Galerie wird zum Treff der Künstler und in Eigenverantwortung für Ausstellungen genutzt.
In den Jahren 1971-1979 entsteht der eigentliche Schwerpunkt seines malerischen Werkes.
1975 wird die Tochter Sophia geboren. Zum Lebensunterhalt der kleinen Familie nimmt Helmut Silbermann Im selben Jahr einen Lehrauftrag für Kunsterziehung in einem Düsseldorfer Gymnasium an. Im selben Jahr erklärt Joseph Beuys Helmut Silbermann zum Meisterschüler.
1978 ist er für 6 Monate ein Stipendiat in Svobodno/Polen.
Das Gemälde „Walpurgistag oder Sophia in der Schützenstraße“ von 1978 gehört zu einer Reihe Gemälde, die ein sehr persönliches Bild um das urbane Leben in seinem familiären Umfeld darstellen.Von der Produzenten-Galerie aus beobachtet er das Geschehen auf der Schützenstraße: Es entstehen zeichnerische Notizen, die dann zu einer komplexen Bildaussage gebündelt werden.
Im Vordergrund zu sehen ist die 4jährige Tochter Sophia. Die malerische Umsetzung ist frei von jeder maltechnischen Raffinesse und berührt deshalb besonders in ihrer Unmittelbarkeit. Das Gemälde ist vor 45 Jahren entstanden und erscheint wie ein Abbild aus unseren Tagen, in dem sich die Menschen in den Großstädten wie ferngesteuerte, von elektronischen Medien beherrschte Wesen bewegen.
Ausdruck seiner Verehrung für Jakob Böhme ist das Porträt des Natur-Philosophen in seiner Schusterwerkstatt. In der Nikolaikirche in Görlitz, der Geburtsstadt Jakob Böhmes, ist als Dauerausstellung eine um das vielfache vergrößerte Abbildung des Bildes von Helmut Silbermann zu sehen.
Ab 1978 zeigen sich bei Helmut Silbermann Anzeichen einer tragischen gesundheitlichen Veränderung. 1979 Geburt des Sohnes Johannes. Im selben Jahr hat er eine große Ausstellung mit Peter Krahé und Hans G. Berge im Kasseler Kunstverein. Er erkrankt ernsthaft für viele Jahre. Es folgt die Trennung von seiner Ehefrau Karin.
Ab 1980 lebt Helmut Silbermann wieder in Niedersachsen und in Hannover. Er experimentiert viel mit Fotos, schreibt Gedichte und Wortspielereien im Stil von Ernst.Jandl. Seine zahlreichen Skizzenbücher sind prall gefüllt mit Zeichnungen, kleinen Portraits und bildnerischen Tages-Notizen.
Seine letzten Lebensjahre lebte er zurückgezogen in einem Pflegeheim in Hannover.
2023 stirbt Helmut Silbermann im Alter von 75 Jahren.
Hans Berge