Roland Dörfler
Kontaktadresse:
E-Mail: atelier(at)roland-doerfler.de
Roland Dörfler ist manchmal gefragt worden, weshalb er denn keine optimistischen Bilder male. Mir scheint, er hat die Antwort längst gegeben – in jenen Bildern nämlich, die nach dem Täter fragen. Wen hat das Pferd erschreckt in dem Bild „Tier und Mensch“, wer die Stangen gerichtet in der Gouache „Figuren mit Balken“, wer die Würfel behauen in den vielen Bildern zu diesem Thema? Darüber sollen wir nachdenken.
Michael Schwarz
1926 geboren am 14.02. in Silberbach, böhmisches Erzgebirge
1948-1950 Beginn des Studiums der freien Kunst in Nürnberg bei Prof. Fritz Griebel
1950 Gewinner Jahreswettbewerb der Akademie der Bildenen Künste Nürnberg
1950-1954 Studium der Freien Malerei an der Akademie Stuttgart bei Prof. Hans Meid und
Prof. Manfred Henninger, Gaststudent bei Prof. Willi Baumeister
1953/57/58 Kunstpreis der Jugend, Baden Württemberg
1964 Förderpreis des Sudetendeutschen Kulturkreises
1956 Stipendiat des Kulturkreises im BDI
1957-1960 Lehrauftrag für Zeichnen an der Akademie Stuttgart
1960-1965 Freischaffend
1961 Mitbegründung der „Neue Württembergische Gruppe“ mit Franz Bucher,
Emil Cimiotti, Robert Förch, Erich Hauser, Emil Kiess und Hans Schreiner
1965 Kunstpreis Junger Westen für Handzeichnungen, Recklinghausen
1965-1992 Professur an der Kunsthochschule Braunschweig, Leiter einer Klasse für Malerei
1980 Preis der Intergrafik, Berlin/DDR
1984 Preis der 8. British Print Biennale, Bradford
Ehrengabe des Lovis-Corinth-Preis der Künstlergilde Esslingen
1985 Niedersächsisches Künstlerstipendium
1988 Großer Sudetendeutscher Kulturpreis
1988-1989 Ehrengast der Villa Massimo, Rom
1991 Niedersächischer Verdienstorden
1991-2000 Mitglied im Kunstausschuss des Bistums Fulda
1993 Preis der SPD Niedersachsen
2010 gestorben am 17.03. in Braunschweig
Lebte und arbeitete in Braunschweig, Niedersachsen und in Cap d’Agde, Frankreich
Einzelausstellungen (Auswahl)
2020 Roland Dörfler – Mensch und Raum
Galerie vom Zufall und vom Glück, Hannover
2017 Captured – Galerie Cyprian Brenner, Schwäbisch Hall
2012 Roland Dörfler – Vom Menschen, Kleihues Bau, Kornwestheim
2009 Galerie vom Zufall und vom Glück, Hannover
2008 Graphisches Œuvre, Städtische Kunstsammlung Salzgitter Salder, Salzgitter
2007 Hommage an Roland Dörfler zum 80. Geburtstag, SüdWestGalerie, Niederalfingen
2006 Aschermittwoch der Künstler, Dommuseum Hildesheim
Das malerische Werk, Braunschweigisches Landesmuseum
2005 Kunst im Kloster, Dominikanerkloster Braunschweig
2004 Für uns Menschen um unser Heiles willen, Ausstellung im Dom zu Fulda
2000 SüdWestGalerie, Hüttlingen-Niederalfingen
1999 Städtische Galerie Wendlingen am Neckar
1997 Herzog August Bibliothek, Wolfenbüttel
1996 Galerie im Schloss Wendhausen
Galerie Brücke, Braunschweig
1994 Niedersächsische Landesvertretung, Bonn
1991 Adalbert Stifter Verein, München
1988 Rathaus Balingen
1987 Rolf-Flemes Haus, Kunstkreis Hameln
1985 13. Hilzinger Kunstausstellung – Sonderausstellung, Singen
Roland Dörfler und 22 Künstler der Gegenwart, Villa Merkel, Esslingen
1984 Galerie Kö24, Hannover
1982 Holbeinhaus, Kunstverein Augsburg
1981 Galerie Mondragone, Paris
Kunstverein Hannover (mit Malte Sartorius und Lienhard von Monkiewitsch)
1978 Landesmuseum Oldenburg, Studio
1976 Galerie der Stadt, Kornwestheim
1974 Kunstverein Bochum
1967 Galerie Schmücking, Braunschweig
1959 Galerie Behr, Stuttgart
Künstlerbücher
François Villon, 108 Gouachen und Zeichnungen zu 28 ausgewählten Balladen, 17,5 x 23,5 cm, 1994
Homer „Odyssee“, 41 Blätter mit Gouachen und Zeichnungen, Mappe 51,5 x 66,5 cm, 1997
Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen „Der abenteuerliche Simplicissimus“, Gouachen und Zeichnungen auf 60 Buchseiten, 21 x 29 cm, 1998
Deutsche Balladen und Lyrik des Expressionismus, Gouachen und Zeichnungen auf 66 Buchseiten, 21 x 29,5 cm, 1999
Liebesgedichte und Lyrik des Expressionismus, 67 gezeichnete Seiten, 1999/2000
Johann Wolfgang von Goethe, „Faust, I. Teil“, 77 Zeichnungen und Aquarelle auf 82 Seiten, 30 x 39,5 cm, 2004
Brisch, Klaus: Deutsche Aquarelle und Zeichnungen seit 1900, Ausstellungskatalog, Köln 1957
Lohrer, Hans: Neue Württembergische Gruppe, Ausstellungskatalog, Stuttgart 1962
Wirth, Günther: 2. Kunstausstellung im Rathaus Wailblingen (Dörfler und Bucher), Ausstellungskatalog, Stuttgart 1964
Wirth, Günther: 2. Kunstausstellung im Rathaus Wailblingen (Dörfler und Bucher), Sonderdruck, Stuttgart 1964
Honisch, Dieter: Studio im Württembergischen Kunstverein, Ausstellungskatalog, Stuttgart 1965
Wirth, Günther: Skizzenbuch I (Dörfler und Bucher), Rottweil 1965
Schmücking, Rolf: Galerie Schmücking – Roland Dörfler Malerei, Ausstellungskatalog, Braunschweig 1967
Stadt Ravensburg: Altes Theater Ravensburg – Roland Dörfler Malerei Graphik, Ausstellungskatalog Ravensburg, 1967
Keller, Horst: Kunsthalle Recklinhausen – Akt 68, Ausstellungskatalog Recklinghausen, 1968
Kerber, Bernhard: Kunstverein Bochum – Roland Dörfler, Ausstellungskatalog, Bochum 1974
Leppien, Helmut R.: Graphik aus Niedersachsen, Ausstellungskatalog, Kunstverein Hannover 1975
Schröder-Honisch: Der Einzelne und die Masse, Ausstellungskatalog, Kunsthalle Recklinghausen, Bochum 1975
Ohff, Heinz: 12 Norddeutsche Zeichner, Ausstellungskatalog, Nordhorn 1977
Blume, Dieter: Staatliche Hochschule für Bildende Künste 1963–78, Braunschweig 1978
Gall, Wilhelm: Die Galerie der Landesgirokasse, Stuttgart 1980
Sello, Katrin: Sartorius, Dörfler, Monkiewitsch, Ausstellungskatalog, Kunstverein Hannover 1981
Wirth, Günther: Kunst im Deutschen Südwesten von 1945 bis zur Gegenwart, Stuttgart 1982
Wirth, Günther: Lovis Corinth-Preis, Ausstellungskatalog, Regensburg 1984
Gall, Wilhelm: Kunst des 20. Jahrhunderts – Sammlung Reinheimer, Stuttgart 1983
Wirth, Günther: Die Wahrheit der Kunst, in Kunst und Kirche, Heft 2/1985, Linz 1985
Zerull, Ludwig: Profile, Impulse 3, Niedersächsische Künstlerstipendiaten 1985–1987, Ausstellungskatalog, Goslar 1987
Stadt Güglingen: Das Güglinger Palmtuch, Güglingen 1988
Wirth, Günther: 13. Hilzinger Kunstausstellung – Sonderausstellung Roland Dörfler, Ausstellungskatalog, Hilzingen 1985
Schwarz, Michael: Edition – libri artis – Roland Dörfler, Hannover 1985
Wirth, Günther: Die nach draußen gingen, Ausstellungskatalog, Esslingen 1985
Romain, Lothar und Schwarz, Michael: 25 Jahre Kunsthochschule Braunschweig, Ausstellungskatalog, Braunschweig 1987/88
Canz, Sigrid: Regensburger Begegnung ‘88, Ausstellungskatalog, Regensburg 1988
Deutsche Akademie Villa Massimo Rom, Jahresdokumentation 1988/89
Marhenke, Dorit: Flucht – Problemkreis seit Menschengedenken, Ausstellungskatalog, Darmstadt 1990
Welzel, Dieter: Klasse Dörfler, Braunschweig, Ausstellungskatalog, 1990
Wirth, Günther: Monographie 1991, Ausstellungskatalog, Böblingen 1991
Lang, Siegfried: Galerie der Sparkasse Pfaffenhofen a.d. Ilm, Ausstellungskatalog, Pfaffenhofen 1992
Gebhardt, Helga: Dialog mit dem Gegenüber, Künstler des Südwestens, Waiblingen 1992
Schilling, Jürgen: Passion, Ausstellungskatalog, Bönen 1993
Igl, Ernest: WIR – Künstler in der zweiten Heimat, München 1993/94
Gorella, Arwed D.: Roland Dörfler – Druckgraphik, Braunschweig 1994
Neuenhausen/Zerull: Aus gegebenem Anlaß, Leporello von 6 Künstlern, Hannover 1994
Zerull, Ludwig: Katalog der VGH, Hannover 1995
Barski, Jacek: Kunst als Realisation der Freiheit, in „Die Künstlergilde“, 1996
Conrady, Hans-Peter: Braunschweiger Skizzen, Braunschweig 1996
Brüdern, Jutta und Lufft, Peter: Profile aus Braunschweig, Salzgitter 1996
Forstbauer, Nicolai Boris: Dörfler – Kurz, Ausstellungskatalog, Aalen 1996
Winter, Marianne: Roland Dörfler Galerie Schloß Wendhausen/Brücke Galerie Braunschweig, Ausstellungskatalog, Braunschweig 1996
Dörfler, Roland: Künstlerbuch François Villon, Braunschweig 1997
Doldinger, Klaus: Kunst mit Nase, Reihe Kunststreifzüge, NDR 1997
Simon, Robert und Sommer, Dr. Achim: Kunststreifzüge, NDR 3, Hannover 1997
Ruess, Andreas: 1947–1997 50 Jahre Fähre Saulgau, Ausstellungskatalog, Saulgau 1997
Romain, Lothar: Einblicke in die Sammlung Robert Simon im Bomann-Museum, Celle 1997
Zerull, Ludwig: Bestände – Sammlung der Landschaftlichen Brandkasse Hannover und der Provinzial Lebensversicherung Hannover, Hannover 1997
Froitzheim, Eva-Maria: Kunstsammlung der Bausparkasse Schwäbisch-Hall AG, Schwäbisch Hall 1998
Wirth, Günther: Esslinger Reden zur Kunst, Esslingen 1998
Preusler, Burghard: Alte und neue Kunst, Verein christlicher Kunst, Paderborn 1998
Zerull, Ludwig: Kunst im Haus des Glücks, Hannover 2001
Kunstverein Wolfenbüttel: Roland Dörfler – Zeichnungen und Aquarelle, Ausstellungkatalog, Wolfenbüttel 2001
Völter, Karl O.: Widerschein ihrer Zeit. Die Kunstsammlung der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen, Esslingen 2004
Wagner, Dieter: Der Wahrheit verpflichtet, Bonifatius-Jubiläum 2004, Fulda 2004
Zerull, Ludwig: Aus gegebenem Anlass, Hannover 2005
Waibel, Valeria: Vier im Kreis, i.Br.: Ausstellungskatalog, Freiburg 2006
Borrmann, Stephanie: Zeichnungen aus der Gefangenschaft. Katalog anlässlich der Ausstellung Graphisches Œvre, Städtische Kunstsammlung Salzgitter Salder, 2008
Schwarz, Michael: Nachgeordnete Situationen. Katalog Ubique - Salon Salder, Städtische Kunstsammlung Salzgitter Salder, 2014
Borrmann, Stephanie: Der existentielle Mensch. Katalog Identitäten - Salon Salder, Städtische Kunstsammlung Salzgitter Salder, 2019
Figur und Würfel
Das Werk Roland Dörflers wird durchzogen von Gegensätzen, in weiten Teilen bestimmt von einer Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen. Während 1961 an der dalmatinischen Küste malerische Impressionen entstehen, beschäftigt er sich gleichzeitig in präzisen Federzeichnungen mit der menschlichen Figur. Auch in den Arbeiten selbst lassen sich diese Gegensätze nachweisen; ich habe sie im Exkurs über die Zeichnung als ein System von Öffnungen und Verdichtungen, von Schärfen und Unschärfen beschrieben, durch das die einzelnen Figuren auf der Bildfläche organisiert werden. Während in den früheren Arbeiten diese Gegensätze an der formalen Behandlung der Figur entwickelt wurden, steht Roland Dörfler nach der Beschäftigung mit dem Kubus auch im Motivischen ein solches Gegensatzpaar zur Verfügung. In den ersten Zeichnungen zum Thema „Figur und Würfel“ betont der Künstler das Architektonische, die Härte und Scharfkantigkeit des stereometrischen Körpers im Kontrast zum organischen Umriß der Figuren. Der Würfel ist schon in den ersten Blättern der Jahre 1967/68 die aggressivere Form; von ihm geht eine Bedrohung aus, die sich gegen den Menschen richtet. Mit dem Würfel ist der Verursacher für die Not und das Leiden der Figuren benannt. Dem gefolterten, verletzten, gefallenen Menschen steht der Würfel als Zeichen der Ordnung, Macht und Machtausübung gegenüber.
In den folgenden Jahren hat Roland Dörfler das Thema Figur und Würfel in mehreren, auch großformatigen Zeichnungen immer wieder behandelt und dabei den etwas plakativen Gegensatz dieser beiden Motive zurückgenommen, indem er die Bedeutung des Würfels ambivalenter gehalten hat. Nach den Erfahrungen mit den Kartonbildern, die den Würfel als Hohlkörper und damit als Gehäuse oder Behältnis definieren, kann der Kubus nun auch ein Gegenstand sein, der Schutz bietet. Eine solche Schutzfunktion hat zum Beispiel der Würfel in „Große Skizze“ von 1976, in der die Figur in den Würfel geflüchtet ist und dort geduckt ihr Schicksal erwartet. Offensichtlicher noch ist die Ambivalenz in der inhaltlichen Ausdeutung des Würfels bei der Arbeit „Vier Locher“; diese negativen Würfel, die in ihrer formalen Anlage an die vier Kartons von 1973 erinnern, sind Höhlen, Gehäuse, vielleicht Grabkammern. In ihnen bleiben die Figuren aufgehoben.
Auch in dem großen „Triptychon“ von 1985 stellt Roland Dörfler den hockenden Figuren harte Blöcke gegenüber. Wie schon im „Triptychon“ von 1980 oder in neueren Zeichnungen zu diesem Thema ist der Würfel hier das andere, das dem Menschen Fremde. Eine genauere Bestimmung ist nicht möglich; nicht einmal annäherungsweise läßt sich sagen, was diese Blöcke darstellen. Als harte, anorganische Körper stehen sie im Bilde den organischen, verletzbaren Körpern der Figuren gegenüber. Die Blöcke meinen weder Architektur, noch Grab, noch Höhle, noch Folterkammer, aber sie meinen auch dieses alles.
Indem Roland Dörfler in seine Bilder den Würfel setzt, beschreiben diese Bilder nicht mehr nur Zustände, sondern fragen dialektisch nach den Ursachen, die den Menschen in diese ausweglosen Situationen gebracht haben. Wer Ursachen benennt und aufzeigt, gibt Hinweise auf notwendige Veränderungen der Zustände. Es müßte an einer Beseitigung jener Verhältnisse gearbeitet werden, durch die die Blöcke möglich wurden. Von ihnen geht die Bedrohung für den Menschen aus, Würfel halten ihn gefangen, an seinen Kanten verletzt er sich, über seine Treppen und Abgründe stürzt er in den Tod.
Roland Dörfler ist manchmal gefragt worden, weshalb er denn keine optimistischen Bilder male. Mir scheint, er hat die Antwort längst gegeben – in jenen Bildern nämlich, die nach dem Täter fragen. Wen hat das Pferd erschreckt in dem Bild „Tier und Mensch“, wer die Stangen gerichtet in der Gouache „Figuren mit Balken“, wer die Würfel behauen in den vielen Bildern zu diesem Thema? Darüber sollen wir nachdenken.
Michael Schwarz
aus: Michael Schwarz, Roland Dörfler, Edition ‚libri artis‘, Th. Schäfer Verlag, Hannover, 1985, S. 43-44